Gelenkbeschwerden trotz relativ "niedrigem" Ferritin

In diesen älteren Diskussionen der Vorjahre könnt Ihr lesen und auch weiter aktiv schreiben. Beachtet, dass sich der Stand der Forschung seitdem geändert haben kann. Es gibt inzwischen neue Empfehlungen und Leitlinien zur Diagnostik und Therapie.
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Lily16
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Registriert: Mo 23. Mai 2022, 20:34

Gelenkbeschwerden trotz relativ "niedrigem" Ferritin

Beitrag von Lily16 »

Hallo zusammen :winke

habe seit einigen Wochen die Diagnose einer compound heterozygoten Form bei Ferritinwerten um die 200ng/ml.
Da ich schon seit einigen Jahren immer wieder an Gelenkbeschwerden leide (bin Anfang 20), für die es keine Erklärung gibt, frage ich mich nun, ob dies trotz des relativ geringen Ferritinwerts von der HH kommen könnte- oder kommen die Beschwerden erst mit deutlich höheren Werten?

LG und danke :)
Taischi
Alter Hase
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Registriert: Di 26. Apr 2005, 19:15

Re: Gelenkbeschwerden trotz relativ "niedrigem" Ferritin

Beitrag von Taischi »

Hallo Lily16,
soweit ich informiert bin, ist es ungewöhnlich, daß in so jungen Jahren hämochromatosebedingte Gelenkbeschwerden auftreten. Bei mir gingen die Gelenkprobleme erst ab der Menopaus los. Durch meine schmerzenden Gelenke kam ich erst drauf, daß ich die HC habe. Übrigens, durch Aderlässe, so sagten es mir auch die Ärzte, verbessern sich die Gelenkschmerzen leider nicht. Gruß, Taischi
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Lia
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Re: Gelenkbeschwerden trotz relativ "niedrigem" Ferritin

Beitrag von Lia »

Hallo Lily,

ich würde das so beantworten und bleibe etwas diffus:
Grundsätzlich deuten Untersuchungen darauf hin, dass Hämochromatose-Arthropathie häufig bereits als Frühzeichen auftritt und die Hämochromatose-Mutationen selbst und nicht nur der Grad der Eisenspeicherung eine Rolle spielen könnten für in jüngerem Lebensalter auftretende Probleme mit Gelenkverschleiß oder Gelenkproblemen.

Der Grad des Gelenkbefalls muss nicht mit dem Grad der Eisenüberladung einhergehen, es gibt also auch Patienten mit hochgradigen Gelenkbeschwerden bei vergleichsweise niedriger Eisenüberladung.
Die Mutationen selbst, und nicht (nur) der Grad der Eisenspeicherung könnten eine Wirkung auf die Gelenke haben. So fand eine Untersuchung z.B. erhöhtes Auftreten von Arthralgien bei Menschen in der Bevölkerung, die die Mutation H63D tragen, also auch bei Compound-Heterozygoten. (Quelle nur engl. "The H63D variant in the HFE gene predisposes to arthralgia, chondrocalcinosis and osteoarthritis" https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2111641/ )
Auch könnte es sein, dass die Transferrinsättigung eine Rolle spielt. Bei Hämochromatose-Patienten mit hoher Transferrinsättigung >50% in der Erhaltungsphase waren mehr bzw. deutlichere Gelenkbeschwerden als bei niedrigerer Transferrinsättigung, so eine Langzeitstudie aus Rennes in Frankreich. (Quelle: auf deutsch kann man das hier nachlesen, Vortrag Zoller: http://docplayer.org/73043610-Haemochro ... nburg.html bezugnehmend auf diese Studie: https://www.cghjournal.org/article/S154 ... 3/fulltext )

Wenn man eine hochgradige Hämochromatose hat mit massiver Leberschädigung (Zirrhose), kann auch die Leberschädigung selbst bereits Gelenkprobleme(-Schmerzen) verursachen, also unabhängig von Eisenüberladung oder die Genkonstellation. Hochgradige Leberschädigungen egal welcher Ursache können Gelenkprobleme machen. Wenn Eisenüberladung so gering, dass noch kein solcher eisenbedingter Leberschaden entstehen konnte, fällt das natürlich weg.

Die Art der Gelenkprobleme spielt eine große Rolle bei der Unterscheidung, ob man eher eine Hämochromatose-Arthropathie vermutet oder Gelenkprobleme wohl eine andere Ursache haben. So gibt Unterschiede zwischen HH-Arthropathie und anderen Gelenkerkrankungen, die man anhand der körperl. Untersuchung, Laborwerten und Bildgebung unterscheiden kann, was im Einzelfall gar nicht so einfach ist. Und manchmal hat ein Patient auch "Läuse und Flöhe" zusammen, also mehrere Gelenkerkrankungen, die auseinanderzuklamüsern erst recht eine Herausforderung sind.

Manchmal ist die Art des Gelenkbefalls bei jungem Lebensalter hinweisgebend auf Hämochromatose und führt zur richtigen Diagnose. Menschen mit Hämochromatose-Disposition werden oft erst in mittlerem oder fortgeschrittenem Lebensalter diagnostiziert, wenn die Leberwerte auffällig werden. Menschen in mittlerem Lebensalter haben auch in der Allgemeinbevölkerung schon häufig einen Gelenkverschleiß, auch ohne Hämochromatose. Aber das Gelenkbefallsmuster spielt eine Rolle, also welche Gelenke wehtun. Wenn z.B. ein junger Mann ohne Unfall eine Sprunggelenksarthrose hat und/oder Arthrose an den Fingergrundgelenken des Zeige-/Mittelfingers, dann ist genau so ein Gelenkbefallsmuster ungewöhnlich und hinweisgebend, also verdächtig für das Vorliegen einer Hämochromatose, wenn die Laborwerte für rheumatoide Arthrtitis unauffällig sind. Ein aufmerksamer Arzt z.B. Rheumatologe würde hellhörig und Eisenstatus abklopfen.
Sprunggelenksarthrose ohne Unfall würde man dann auch eher als eine Hämochromatose-Arthropathie einordnen als z.B. eine Sprunggelenksarthose eines jungen Menschen nach Bänderriss in der Kindheit, da wäre dann die Arthrose eher als Unfallfolge zu vermuten (wobei auch da wieder Hämochromatose-Arthropathie bevorzugt an bereits vorgeschädigten Stellen auftreten kann, es ist also alles nicht so einfach zu unterscheiden, wo was herkommt :) )

Kurzum:
Bei der Diagnostik von Menschen mit nachgewiesener Hämochromatose-Disposition sollte der Arzt sicherlich nicht alles auf die Hämochromatose-Arthropathie "abwälzen", sondern auch eine gründliche Diagnostik wie bei jedem anderen Patienten mit Gelenkbeschwerden machen, damit nichts Relevantes verpasst wird. Ich weiss jetzt nicht, was für Gelenkbeschwerden bei Dir bestehen.
Je nach Beschwerdebild, wenn degenerative Veränderungen in so jungem Alter, würde ich Deine Genkonstellation als möglichen Hauptspieler oder Mitspieler auch bei geringer Eisenüberladung nicht ausschließen. Was meint denn Dein Arzt, was Du für Gelenkbeschwerden hast, was sieht er als Ursache?

Du hast noch eine PN von mir.

Liebe Grüße
Lia
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