Bräuchte mal bitte Eure Einschätzung

In diesen älteren Diskussionen der Vorjahre könnt Ihr lesen und auch weiter aktiv schreiben. Beachtet, dass sich der Stand der Forschung seitdem geändert haben kann. Es gibt inzwischen neue Empfehlungen und Leitlinien zur Diagnostik und Therapie.
Antworten
Ben
Frischling
Frischling
Beiträge: 2
Registriert: Di 8. Feb 2022, 20:28

Bräuchte mal bitte Eure Einschätzung

Beitrag von Ben »

Hallo liebe Mitglieder des Hämochromatose-Forums,

ich heiße Benedikt, bin 33 Jahre alt und bräuchte mal Eure Einschätzung bezüglich meiner Symptome und meiner Blutwerte.

Ich habe seit April immer wiederkehrend Gelenkschmerzen in den Knien, den Handgelenken, und Sprunggelenken (dort aber weitaus weniger als wie bei den anderen Gelenken) Teilweise habe ich auch Schmerzen in den Füßen. Daraufhin bin ich zu meinem Hausarzt gegangen, der darauf hin großes Blutbild, Nieren, Leber und Rheumafaktoren bestimmen lies. Leber, Nieren und Rheuma-werte waren alle Unauffällig, einzig der Eisen wert ist stärker erhöht und steigt sogar von mal zu mal.
Mitte Dezember war ich dann wieder bei meinem Hausarzt und sprach Ihn auf den immer zu hohen Eisenwert an und ob meine Gelenkbeschwerden davon kommen könnten. Er meinte er glaubt es nicht, würde aber um eine Eisenverwertungsstörung auszuschließen den Ferritin-Index bestimmen.

Hier die Werte der verschiedenen Blutabnahmen:

11.5.21 25.08 .21 20.09.21 06.01.22 / Referenzwerte

HGB 16,5 16,8 17,0 16,7 / 13,7 – 17,5 g/dl
HKT 47,9 47,8 48,5 50,5+ / 40,1 – 50,0 %
MCV 93,7+ 94,5+ 92,0 95,5+ / 79,0 – 92,2 fl
MCHC 34,4 35,1 35,1 33,1 / 32,0 – 36,0 g/dl
MCH 32,3+ 33,2+ 32,3+ 31,6 / 25,7 – 32,2 pg

FE 251+ 272+ 286+ - / 33 – 193 ug/dl
Ferritin - - 363,0 / 30,0 - 400 ng/ml
Transferrinrezeptor löslich 2,01- / 2,2 – 5,0 mg/L
Ferritin Index 0,8 / 0,0 – 3,2

Leider wurde bei der letzten Blutabnahme der Eisenwert und die Transferrinsättigung nicht bestimmt.

Ich weis nicht genau ob Ihr überhaupt die ganzen Werte benötigt oder noch andere Werte, ansonsten einfach schreiben was Ihr braucht.

Meine Frage an euch, weisen die Blutwerte auf eine Eisenspeicherkrankheit hin und könnten meine Gelenkbeschwerden daher kommen? Macht es Sinn noch andere Werte überprüfen zulassen, oder kann man Hämochromatose mit diesen Werten schon ausschließen?


Ich bedanke mich jetzt schon mal für Eure Einschätzung.

Beste Grüße Benedikt
Benutzeravatar
Lia
Alter Hase
Alter Hase
Beiträge: 5823
Registriert: Mo 15. Mär 2004, 16:08

Re: Bräuchte mal bitte Eure Einschätzung

Beitrag von Lia »

Hallo Ben,

willkommen im Forum!
Morgen bzw. im Laufe des Wochenendes schreib ich Dir eine Antwort :winken

Liebe Grüße

Lia
Benutzeravatar
Lia
Alter Hase
Alter Hase
Beiträge: 5823
Registriert: Mo 15. Mär 2004, 16:08

Re: Bräuchte mal bitte Eure Einschätzung

Beitrag von Lia »

Hallo Benedikt, herzlich willkommen im Forum !
Nun also meine Sicht- Vorsicht lang! :)

11.5.21 25.08 .21 20.09.21 06.01.22
Serumeisen stets dtl. erhöht, Ferritin im oberen vom Labor angegebenen Normbereich (363 ng/ml, löslicher Transferrinrezeptor sTrf leicht vermindert. Ferritin-Index unauffällig, im niedrigen Normbereich.
Hb normal eher oberer Normbereich, HKT in oberem Normbereich, durchweg ansteigend, letzter Wert leicht über Norm angestiegen.
MCV erhöht, MCHC und MCH: unauffällig.

In der Gesamtschau ohne Kenntnis der wichtigen Transferrinsättigung würde ich in erster Linie nicht nach Eisenverwertungsstörung suchen (dafür sehe ich jedenfalls aus der Ferne d Internets keine Veranlassung), sondern weiter eine genetische Neigung zu Hämochromatose abklären, auch wenn Serumferritin im vom Labor angegebenen Normbereich liegt, damit hier nichts verpasst wird, was in späterem Lebensalter unerkannt Probleme mit Eisenüberladung machen könnte.

Gelenkprobleme im Sinne einer Hämochromatose-Arthropathie können auch schon als Frühzeichen bei geringer Eisenüberladung auftreten. Warum, weiss man noch nicht so genau.
Gelenkschmerzen können allerdings vielerlei Ursachen haben, gglfs weiter abklären mit gründlicher Diagnostik, die umfasst, wie die Funktion des jew. Gelenks ist, ob Hinweis auf degenerative oder entzündliche Prozesse, ggfls ob bildgebend Veränderungen zu sehen sind, ob psychische Belastungen vorliegen u.v.m. (Leider lässt die Qualität niedergelassener Orthopäden m. E. nach enorm zu wünschen übrig.)

Warum halte ich die Testung auf genetische Disposition für Hämochromatose bei Dir für sinnvoll?
Weil andere Blutwerte bei Dir darauf hinweisen könnten, nicht nur Eisenwerte. Hämatokrit (Maß für Blutzähigkeit) und MCV (=mittleres durchschnittliches Volumen eines Blutkörperchens) sind bei Hämochromatose-Patienten zum Diagnosezeitpunkt oft auch auffällig hoch oder zumindest im oberen Normbereich.
Hämatokrit hat bei Dir eine ansteigende Tendenz, sollte man im Auge behalten.
MCV wird aus Hämatokrit und Erythrozyten berechnet und ist erhöht bei best. sog. makrozytären Anämien bei z.B. Anämie durch Vitamin B12 Mangel und bei Einnahme mancher Medikamente. Besteht keine Anämie, aber dauerhaft erhöhter MCV-Wert, trinkt der Patient evtl. dauerhaft zu viel Alkohol (ist das bei Dir so?) und/oder Patient könnte (genetische Neigung zu) Hämochromatose haben. Daher nicht wundern, falls ein Arzt angesichts Deines MCVs den Verdacht äußert, dass Du zu viel Alkohol trinken könntest, obwohl Du gar nicht viel Alkohol trinkst.

Die Laborwerte sTfr („löslicher Transferrinrezeptor“) und Ferritin-Index werden zur Diagnostik von Eisenverwertungsstörungen, der Abklärung von Eisenmangel und Anämien verwendet und eher nicht bei der Diagnostik von Eisenüberladung.
sTfr ist bei Eisenmangel und best. Störungen bei der Blutbildung erhöht und nicht beeinflussbar durch entzündliche Prozesse, bei denen Serumferritin (das nicht nicht nur Eisenreserven anzeigt, sondern auch entzündungsbedingt ansteigt) falsch hoch ausfallen kann und dann nicht aussagekräftig ist. Wenn also unklar ist, wie viel Eisen dem Körper für die Blutbildung tatsächlich zur Verfügung steht, ist sTfr ein hilfreicher Laborwert. Bei Dir ist sTfr vermindert. Bedeutet: kein Hinweis auf Eisenmangel bei der Blutneubildung, was nicht weiter verwunderlich ist und Ferritin-Index ist bei Dir unauffällig. (Der Ferritin-Index wird aus sTfr und Ferritin errechnet).

Die Transferrinsättigung wurde bei Dir unverständlicherweise nicht gemessen, obwohl dieser Wert aussagekräftig wäre bzgl Eisenüberladung. Sie wird aus Serumeisen und dem Eisenwert Transferrin errechnet.
Bei genetischer Neigung zu Hämochromatose ist Serumeisen typischerweise erhöht und Transferrin (eher) niedrig, daraus ergibt sich eine hohe Transferrinsättigung. In der Zusammenschau Deiner Werte halte ich eine Abklärung einer (noch bis auf evtl. Gelenke) unsymptomatischen Neigung zu Eisenüberladung für sinnvoll sprich: würde Arzt nach Transferrinsättigung fragen.

Wenn ich in die Eisen-Glaskugel gucke :), sehe ich zumindest die Möglichkeit von Hämochromatose-Mutationen von einfach Heterozygot bis C282Y Homozygotie. Letztere wäre die Konstellation häufiger HFE-Mutationen, bei der man die größte Chance auf Eisenüberladung hat.
Besteht aufgrund erhöhter Transferrinsättigung der Verdacht, und Gentest bestätigt das Vorliegen einer genetischen Hämochromatose-Neigung, kannst Du präventiv handeln: präventive Aderlässe in regelmäßigen Abständen vornehmen, so dass es nie zu eisenüberladungsbedingten Organschäden kommen wird.
Die Gelenkbeschwerden im Rahmen von Hämochromatose sprechen allerdings meist nicht auf die Aderlässe an, aber es wäre bei Dir in Absprache mit Deinem Arzt evtl auch ohne Hämochromatose-Gentestergebnis aufgrund der Neigung zu hohem Hämatokrit sinnvoll, ab und an Aderlässe vorzunehmen, z.B. Blutspenden zu gehen, falls Du als Blutspender geeignet bist.
Durch Aderlässe wird zu zähes Blut dünnflüssiger. Zu dickes Blut ist nicht gesund, daher würde ich in Absprache mit dem Arzt ein Auge auf weitere mögl. Ursachen für hohen Hämatokrit haben (Raucher? Trinkst Du zu wenig Flüssigkeit?), falls keine Hämochromatose-Neigung vorliegt.
Das wärs erstmal von mir.

Ein schönes Wochenende und
liebe Grüße

Lia
Ben
Frischling
Frischling
Beiträge: 2
Registriert: Di 8. Feb 2022, 20:28

Re: Bräuchte mal bitte Eure Einschätzung

Beitrag von Ben »

Hallo Lia,

erstmal vielen Dank für Deine ausführliche Antwort.
Ich trinke zwar Alkohol, aber max 2-3 im Monat und dann auch nur in maßen, somit kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass der MCV Wert deswegen erhöht ist.
Bezüglich HKT Wert, ich bin nicht Raucher und trinke min 2 Liter am Tag, kann somit auch nicht daran liegen, denke ich.
Ich werde jetzt aufjedenfall nochmal einen Termin beim Arzt machen und die Transferrinsättigung prüfen lassen, wenn er sich drauf einlässt, auch direkt Gen Test.
Bezüglich Orthopäden hast du recht. Ich war auch schon bei einen, er meinte ich soll zum Rheumatologen gehen, mein Hausarzt meint jedoch das wäre nicht nötig da dies aufjedenfall nicht von Rheuma kommen würde. Denke dass ich nachdem ich die Ergebnisse von der Transferrinsättigung habe, nochmal zu einem anderen Orthopäde gehen werde.
Sobald ich neue Erkenntnisse habe, werde ich davon berichten.

Beste Grüße

Benedikt
Antworten