Vibrio vulnificus- warum hohes Eisen gefährdet

Hier könnt Ihr in Fachsimpeleien früherer Jahre stöbern und schreiben.
Antworten
Benutzeravatar
Lia
Alter Hase
Alter Hase
Beiträge: 5823
Registriert: Mo 15. Mär 2004, 16:08

Vibrio vulnificus- warum hohes Eisen gefährdet

Beitrag von Lia »

Hallo miteinander, habe mir jetzt eine Sichtweise zusammengebastelt :):
Einmal ausführlich und einmal kurz geschrieben.
Liebe Grüße
Lia

Lang :) :
Eisenliebende (siderophile) Bakterien wie vibrio vulnificus brauchen Eisen, um sich gut vermehren zu können. Das Eisen zapfen sie von ihrem Wirt ab, also z.B. vom infizierten Menschen.
Es gibt verschiedene Wege, wie die Erreger es anstellen, um an das Eisen zu kommen. Eisen kann man sowohl in den Zellen (intrazellulär) als auch außerhalb( extrazellullär) finden. Vibrio vulnificus gehört zu den Erregern, die sich Eisen aus dem extrazellulären Raum holen. Und zwar dasjenige Eisen das nicht an den Eisentransporter Transferrin gebunden ist , abgekürzt engl: NTBI. freies Eisen. Weitere siderophile Bakterien sind z.B. Listeria monocytogenes, Yersinia enterocolica, Klebsiella pneumoniae und Eschecheria coli.
Eisenüberladene Menschen mit hoher Transferrinsättigung haben zu viel freies Eisen. Diese Menschen sind für Infektionen mit obigen Erregern besonders gefährdet.

Warum haben Menschen mit erblicher Hämochromatose eine hohe Transferrrinsättigung, also eine Tendenz zu mehr freiem Eisen als andere Leute?
Wegen einem Mangel an Hepcidin.
Der Körper reguliert die Eisenaufnahme hauptsächlich dadurch, wie viel Eisen aus der Nahrung er für sich verfügbar macht. Hepcidin ist das Eisenregulationshormon, das dafür sorgt, dass die Eisenaufnahme gehemmt wird. Bei einem Mangel an Hepcdin ist also der Mechanismus der Eisenhemmung gestört und Eisen wird ungehemmt aufgenommen.
Damit nicht genug:
Es gibt noch einen weiteren Faktor aufgrund des erblichen Hepcidinmangels, der dazu führt, dass Menschen mit viel freiem Eisen besonders empfänglich sind für Infektionen mit siderophilen Erregern: Bei Infektionen wird normalerweise vermehrt Hepcidin ausgeschüttet, um die Eisenaufnahme und Eisenverfügbarkeit für Erreger zu senken. Nicht nur die Eisenaufnahme wird gehemmt, sondern Hepcidin veranlasst auch, dass schon vorhandenes Eisen, das nicht bereits irgendwo sicher gespeichert ist, das sogenannte nicht transferringebundene Eisen, in die bestimmte Zellen hineingekarrt und dort sicher vor den siderophilen Bakteren gebunkert wird. Damit ist dieses Eisen ist intrazellulär gesichert und nicht mehr für die siderophilen Bakterien verfügbar. die nur extrazellulär, außerhalb der Zellen Eisen anzapfen können. Die Zellen, in denen das Eisen hineingebunktert wird, nennt man Makrophagen. Sie gehören zu den Fresszellen des Körpers und sind sehr wichtig für die Erregerabwehr. Makrophagen sind auch sowas wie Müllschlucker im Körper, sie räumen auf, unter anderem mit Bakterien, aber auch mit überalterten roten Blutkörperchen, indem sie sie "auffressen". Makrophagen können also sowohl freies Eisen aufnehmen, als auch Eisen aus roten Blutkörperchen. Sie sind aber nur kurzzeitige Eisenspeicher, sie geben das Eisen bald an den Eisentransporter Transferrin gebunden ab. Das so gebundene Eisen wird abtransportiert zur Wiederverwendung. Mit diesem Eisen werden rote Blutkörperchen gebildet.
Bei Menschen mit Hepcidinmangel ist bei Infektion ist auch der Kurzzeitspeicher-Mechanismus gestört, Recycling-Eisen aus "aufgefressenen" überalterten roten Blutkörperchen in den Makrophagen wird überschnell ins Blutplasma und in den extrazellulären Raum freigesetzt. Dabei ist aber eigentlich bei Infektion die Neubildung roter Blutkörperchen heruntergefahren und damit auch der für die Butbildungsstätten nötige Transport von Recycling-Eisen aus den Makrophagen in den extrazellulären Raum gehemmt. Dafür verantwortlich sind inflammatorische Zytokine, das sind von den Zellen gebildete Regulatoren, die der Signalübertragung dienen. Menschen mit Hepcidinmangel, die ohnehin schon viel freies Eisen haben, bekommen bei Infektion noch zusätzlich vermehrt freies Eisen, weil Eisen aus den Makrophagen vorschnell entlassen wird, das nicht für die Neubildung roter Blutkörperchen abtransportiert wird und damit freies Eisen im extrazellulären Raum ist. Dieses frei verfügbare Eisenfutter nehmen eisenliebende Erreger gerne an und vermehren sich prächtig. So auch vibrio vulnificus.

Etwas kürzer zusammengefasst:
Vibrio vulnificus ist ein eisenliebendes Bakterium. Es holt sich Eisen aus dem Extrazellullärraum .
Der Körper versucht normalerweise, bei Infektion Eisen nicht für Erreger verfügbar zu machen und schützt sich mit Hepcidinanstieg während Infektion. Die vermehrte Ausschüttung des Eisenhemmstoffes Hepcidin verhindert nicht-transferringebundenes, "freies"Eisen. Hepcidin veranlasst, dass Eisen in die Makrophagen gebracht und dort kurzgespeichert wird. Makrophagen sind Fresszellen, sie können kurzzeitig Eisen speichern. Fresszellen fressen Eindringlinge wie Bakterien, aber auch körpereigenen Abfall, auch überalterte rote Blutkörperchen. In roten Blutkörperchen ist viel Eisen. Die Makrophagen nehmen also auch Eisen mit den roten Blutkörperchen auf auf und geben es für die Neubildung roter Blutkörperchen als Recycling-Eisen wieder ab in den extrazellullären Raum, wo es gebunden abtransportiert wird. Da bei Infektion auch die Neubildung von roten Blutkörperchen heruntergefahren ist, wird in den Makrophagen gebunkertes Eisen normalerweise nicht vorschnell wieder freigesetzt.
Menschen mit Hepcidinmangel haben auch ohne Infektion ohnehin schon zu viel freies Eisen. Während Infektion kommt es Menschen mit Hepcidinmangel zu nochmal gesteigertem Vorkommen von freiem Eisen. weil auch der hepcidingesteuerte Eisenhemm-Mechanismus bei den Makrophagen durch den Hepcidinmangel gestört ist: Eisen wird vorschnell wieder aus den Makrophagen entlassen, obwohl es nicht gebraucht wird, die Neubildung roter BLutkörperchen ist ja infektionsbedingt zurückgefahren. Damit bildet dieses vorschnell entlasssene, nicht abtransportierte freie Eisen für die eisenliebenden Erreger zusätzliches Eisenangebot.
Benutzeravatar
Konrad
Alter Hase
Alter Hase
Beiträge: 205
Registriert: Sa 12. Mai 2012, 11:13
Wohnort: München

Re: Vibrio vulnificus- warum hohes Eisen gefährdet

Beitrag von Konrad »

Hallo Lia,
vielen Dank für die Mühe, die du dir immer machst. :blumen

Ich habe hauptsächlich deshalb gefragt, weil Vibrio vulnificus in vielen Schlagzeilen als fleischfressendes Bakterium bezeichnet wird.
Habe beim googeln gefunden:
1) Das Bakterium erzeugt proteolytische Enzyme, u.a. Hämolysin
2) Das Bakterium erzeugt eigene Siderophore.
D.h. der ganze Wegsperrmechanismus der Erstphasenreaktion ist da wohl umsonst; das Monster kommt sowohl an intra- als auch extrazelluläres Eisen.
Laut Wikipedia beträgt die Letalität einer Infektion 25%, bei Sepsis 50%, also ganz schön gefährlich.

Was ich noch zu den Yersinien gefunden habe, ist ganz interessant;
Sie erzeugen eigenen Siderophore und können die Siderophore von verschiedenen anderen Bakterien nutzen.
Dadurch sind sie besonders für HC-Patienten gefährlich, die Deferoxamin (Deferal) einnehmen, das ja ein Siderophor von Streptomyces pilosus ist.

LG, Konrad

PS:
Siderophore sind Eisenchelatoren, die von Bakterien, Pilzen und Pflanzen eingesetzt werden, um das Eisen aus der Umgebung einzusammeln. Es sind niedermolekulare Verbindungen (Oligopeptide), die klein sind und sich daher überall hineinzwängen können.
Hab' noch eine alte Veröffentlichung (1981) gefunden, die beschreibt, daß sich V. vulnificus offenbar auch unter Deferoxamin stark vermehrt.
Edit:
Bin einer falschen Information aufgesessen, Yersinien produzieren doch eigene Siderophore.
Folgende Veröffentlichung ist mit Vorsicht zu genießen:
Fida A. Khan et al.: "Association of hemochromatosis with infectious diseases: expanding spectrum"
Zuletzt geändert von Konrad am Fr 27. Jul 2018, 10:36, insgesamt 2-mal geändert.
Hedgehog
Kenner
Kenner
Beiträge: 71
Registriert: Di 15. Aug 2017, 11:47

Re: Vibrio vulnificus- warum hohes Eisen gefährdet

Beitrag von Hedgehog »

Auch von mir vielen Dank. Das ist ja alles wirklich interessant, nicht nur im Verband mit dem Vermeiden von Vibrio vulnificus und andere gefährliche Infekte, sondern auch, um über Hämochromatose überhaupt weiter nachzudenken.
Das uns an Hepcidin mangelt habe ich schon woanders gelesen. Dabei habe ich nur mitbekommen, dass Hepcidin die Eisenaufnahme reguliert. So dachte ich, Hepcidin Mangel würde nichts mehr ausmachen, sobald wir mittels Aderlässe die überflüssige Eisenreserven weggeschafft haben. Wie ich dich jetzt aber verstehe, kann es sein das wir bei einer Infekte plötzlich wieder zu viel freies Eisen haben, wegen Störung bei der Arbeit von den Makrophagen. Wir sollten uns also nicht sagen, Blutwerte seien jetzt in Ordnung (wenn also Ferritin unter etwa 50 und Transferrinsättigung nicht mehr als 35%) und wir hätten nur gleich viel Risiko wie nicht mutierte Menschen.

Heißt Hepcidinmangel auch, dass die Transferrinsättigung immer wieder steigt, auch wenn Ferritin zum Beispiel nur um 20 oder darunter liegt? Immer wenn ich über Transferrinsättiging nachdenke, komme ich mir ganz blöd vor! Ich weiß nur, das bestimmte Inkfekte besonders gefährlich sind, wenn die Transferrinsättigung zu hoch ist. Jetzt bekomme ich aber den Eindruck, dass diese so wie auch Ferritin wegen eine Infekte zeitlich erhöht werden kann?? Daraus könnte folgen, dass ein Aderlass nicht unbedingt gut ist, wenn eine Bluttest daruf hinweist, aber man war bei der Blutentnahme nicht so ganz gesund? Man hätte nämlich nicht wirklich so viel Eisen, sondern die Werte wären auch von Infekte oder Inflammation bedingt? Wahrscheinlich verstehe ich das aber falsch.
Du hast glaub ich auch mal geschrieben, Transferrinsättigung sei auch (stark?) nährungsbestimmt. Wenn man nüchtern Blut zum testen gibt, macht es noch viel aus, was man in den Tagen (Wochen?) vorher gegessen hat? Oder zum Bespiel, ob man gerade weniger wiegt als sonst? Wohl nicht etwas, worauf es eine klare Antwort gibt! Wir sind halt alle verschieden, und der Körper ist auch zu kompliziert, um von Menschen völlig verstanden zu sein.
Antworten